Songket – Goldene Pracht und sprechende Motive – Zeremonial- und Festtagstextilien aus Sumatra und Bali

Autor/en:        Haio Harms

Verlag:           Verlag Anton Pustet

Erschienen:    Salzburg 2018

Seiten:            262

Buchart:         Klappenbroschur

Preis:              € 32,00

ISBN:             978-3-7025-0886-9

 

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Besprechung: 

Ganz sicher ist dem österreichischen Sammler Haio Harms das Sammlergen von seinem Urgroßvater in die Wiege gelegt worden. Dieser hatte schon im 19. Jahrhundert von seiner Tätigkeit auf einer holländischen Tabakplantage in Sumatra Textilien mit nach Hause gebracht, exotisches Familieninventar, mit dem Haio Harms aufwuchs. So war es vielleicht auch kein Zufall, dass Harms als Chemiker und Faserproduzent viele Jahre in Indonesion lebte und zusammen mit seiner Frau begann, indonesische Textilien zu sammeln. Ein Glücksfall jedenfalls ist es, dass sich Haio Harms, dem Vorbild Ferdinand Aichhorns folgend, entschlossen hat, die Sammlung zu publizieren.

Die Vielfalt indonesischer Textilien, die Variationen der angewandten textilen Techniken, die Verwendung der Tücher im Ritual und als Bekleidung und ihre lokal wechselnden Bezeichnungen sind weltweit unübertroffen. Der indonesische (malaiische) Archipel mit seinen zwischen der Malaiischen Halbinsel und Australien verstreuten mehr als 20.000 Inseln verfügt über eine ethnische, sprachliche, religiöse und natürlich auch textile Diversität, die ihresgleichen sucht. Muster, Verwendung und Bezeichnung von textilen Produkten variieren von Volk zu Volk, oft sogar von Insel zu Insel,  und entziehen sich bis heute einer allgemein gebräuchlichen, wissenschaftlichen Ordnung und Nomenklatur. So ist es zu begrüßen und vielleicht der Anfang einer praktikablen Systematik indonesischer Textilien, dass sich Haio Harms mit Band 1 der Publikationen seiner Sammlung auf eine textiltechnisch definierte Gruppe von Textilien beschränkt, die als Zeremonial- und Festtagstextilien von traditionellen Volksgruppen in bestimmten Regionen Sumatras und Balis hergestellt werden. Songkets sind in Musterschusstechnik hergestellte, reich verzierte Gewebe, bei denen die Muster durch Eintragen von Zierfäden, meist Metall- aber auch Seidenfäden oder andere bunte Garne, in das Trägergewebe entstehen. Brokate könnte man sie auch nennen, wobei dieser Begriff mehr das kostbare und durch die Metallfäden meist schwere Endprodukt bezeichnet, das allerdings webtechnisch auch auf anderem Wege hergestellt werden kann. Durch die wertvollen Edelmetallfäden zählten Songkets schon immer zu den Luxustextilien, die ausschließlich wichtigen traditionellen Anlässen vorbehalten waren und als Familienschatz sorgfältig aufbewahrt wurden. Sie werden vor allem in Palembang im Süden Sumatras bis heute hergestellt. Die meisten und auch schönsten der mehreren Dutzend vorgestellten, genau beschriebenen und oft mit Detailfotos auch in Einzelheiten sichtbar gemachten Sonkets stammen von der Volksgruppe der Minangkabau im Hochland des Barisan-Gebirges im Süden Sumatras. Sie datieren überwiegend aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und gehören zu den Raritäten indonesischer Textilkunst.

Die besondere Qualität des Buches liegt darin, dass die Vorstellung dieser Gruppe webtechnisch anspruchsvoller Luxustextilien eingebunden ist in einen mit vielen Illustrationen versehenen Text, der nicht nur den Vergleich mit anderen textilen Techniken wie Ikat, Batik oder Stickerei ermöglicht, sondern tief in die Geschichte und Entwicklung des indonesischen Vielvölkerstaates einführt und Themen wie Religion, Brauchtum bis hin zur politischen Entwicklung der jüngeren Zeit einschließt. So wird verständlich, dass die Textilien Indonesiens, hier vor allem am Beispiel Sumatras, ein Spiegel einer kaum mehr zu überbietenden Kontrastskala unterschiedlicher Kulturen und Ethnien sind, die im Lauf der Jahrtausende oder Jahrhunderte in dieser Region aufeinandertrafen. Ureinwohner Sumatras mit megalithischen Traditionen, die so genannte austranesische Völkerwanderung, die den gesamten indonesischen Archipel erfasste, Indien und seine frühen Textilimporte, der europäische Einfluss von Portugiesen und Niederländern und nicht zuletzt China und Japan haben Spuren hinterlassen, die es in den komplexen Mustern der indonesischen Textilien zu entdecken gilt. Das liest sich ausgesprochen spannend und zeigt, dass der Autor und Sammler die Jahre seines Aufenthaltes in diesem Land nicht nur zum Aufbau einer Sammlung genutzt hat, sondern mit großem Engagement und Einfühlungsvermögen einen Zugang zum diesem Land und eine Liebe zu seinen Menschen gefunden hat. Erläuterungen zu den Webtechniken und ein umfangreiches Glossar, das den Dschungel der lokalen Bezeichnungen ein wenig zu lichten vermag, runden das Buch ab. Auf weitere Bände zur Sammung Harms darf man gespannt sein.