Autor/en: Ernst Gamperl und weitere Autoren

Verlag: Arnoldsche Verlagsanstalt (in Kooperation mit Five Continents)
Erschienen: Stuttgart Mailand 2025
Seiten: 272
Buchart: Hardcover
Preis: € 64,00 (limitierte Luxusausgabe mit einer Original-Skulptur: € 2,900,00)
ISBN: 978-3-897980-754-6
Kommentar: Michael Buddeberg

Within trees lies a natural energy and ancient wisdom that I uncover, allowing it to find expression in my forms. I call it URKRAFT
Auf dem edlen Schuber der Luxusedition der hier besprochenen Künstlermonographie, die nicht nur das Buch, sondern auch eine Original-Skulptur enthält, findet sich diese Aussage des Künstlers Ernst Gamperl zu seinem Werk. Damit ist aus der Sicht von Ernst Gamperl schon alles gesagt; für eine Rezension dieses großartigen Buches über einen singulären Künstler und sein Werk bedarf es einiges mehr.
Ernst Gamperl ist der unübertroffene Meister einer ebenso alten wie zeitlosen kunsthandwerklichen Technik, des seit der Antike bekannten Drechselns. Er ist damit ein Virtuose eines einzigartigen Oevres, in dem Kunst und Handwerk eine eigentümliche Verbindung eingehen. Als gelernter Schreiner empfand Gamperl die Arbeit mit Brettern und Platten aus abgelagertem Holz als nicht ausriechend inspirierend, begann mit dem Drechseln frischen Holzes, entwickelte und perfektionierte in fast vier Jahrzehnten Werkzeuge und Technik zu einer Meisterschaft, die dem Laien fast wie Zauberei anmutet. Es entstanden und entstehen mit unendlicher Sorgfalt und Perfektion gedrehte Gefäße oder, besser gesagt, von auchdünner Hülle umgebene Hohlkörper, zweckfreie Holzskulpturen von berückender Schönheit und zeitloser Formensprache. Dabei ist die vom Künstler geschaffene stets rotationssymmetrische Form erst der Ausgangpunkt für den sich anschließenden, mehr oder auch weniger kontrollierten Trocknungsprozess, in dem sich die im Holz gebundenen Spannungen lösen und eine gleichsam topographische Gestalt mit bauchigen Wölbungen, eingezogenen Rinnen und Vertiefungen, wellbrettartigen Strukturen bis hin zu Löchern und Rissen ausbilden, denen von Fall zu Fall durch eingesetzte zarte Schwalbenschwänze Grenzen gesetzt werden. Vom Künstler gesetzte, feine Rillen- oder auch erhabene Bandstrukturen überlagern sich mit der natürlichen Maserung des Holzes zu einer attraktiven und durch die Trocknungsverformung zusätzlich lebhaften Textur, die Gamperl durch Lasuren mit organischen Lösungen weiter veredelt. Man hat so etwas noch nie gesehen und fühlt sich erinnert an den Faltenwurf kostbarer Textilien aus der Renaissance oder dem fernen Osten.

Dieser Schaffensprozess ist aber nur der ausführende Teil der künstlerischen Leistung. Gamperl versteht es, seine Schöpfungen schon im Holz, am Baumstamm zu erkennen. Er besitzt die Gabe, das im Holz verborgene emotionale Potenzial zu sehen, die in Jahrhunderten des Wachstums, aus dem Wechsel der Jahreszeiten, aus überstandenen Stürmen und weiteren natürlichen Einflüssen gespeicherte Kraft zu erkennen und danach eine Form zu wählen. So sind Schaffen und Werk zutiefst von der Natur geprägt. Gamperls Gefühl und Wissen um dieses Potenzial, auch um die unterschiedlichen Dichten und Materialeigenschaften von Kern- und Splintholz, den Einfluss von Ästen aber auch von Verwachsungen und anderen Unregelmäßigkeiten im Holz sind ein einzigartiger künstlerischer Dialog mit der Natur. Jede einzelne seiner Skulpturen ist ein Juwel, in dem sich menschlicher Formwille und natürliche Prozesse auf radikale und staunenswerte Weise addieren.
Das Buch Urkraft ist, nach einer Anzahl von Broschüren und Ausstellungskatalogen die erste große Monographie, die umfassend und detailliert den Künstler, seine Entwicklung und sein Werk würdigt. Und das nicht in Form eines chronologischen Berichts, sondern als Dokumentation wichtiger Stationen in Gamperls internationaler Wahrnehmung und Karriere, begleitet von Essays namhafter Experten. Da ist vor allem sein bisher bedeutendstes und ganze zehn Jahre währende Projekt der Verwandlung einer 230 Jahre alten, vom Orkan gefällten mächtigen Eiche mit einem Stammdurchmesser von 2,7 Metern und einem Gewicht von 33 Tonnen in knapp einhundert Kunstwerke, die in ihrer Vielfalt und Schönheit die Erinnerung an ein verlorenes Naturdenkmal verkörpern. Die großformatigen Fotos von der ersten Begegnung des Künstlers mit dem Baumriesen, dessen Vermessung und sorgfältige Zerlegung sowie faszinierende Aufnahmen von der Arbeit an der Drehbank und die Gegenüberstellung mit den grandiosen Ergebnissen ist wahrhaft großes Kino. Dass genau dieses Lebensbaum-Projekt bis zum 5. Oktober 2015 im Bayerischen Nationalmuseum ausgestellt ist, sei am Rande erwähnt. Oder das von Lord David Cholmondeley vorgestellte Houghton Oak Projekt, das für 21 Holzskulpturen steht, die aus einer 310 Jahre alten Eiche aus dem Park dieses 1722 errichteten Landsitzes in Norfolk geformt wurden. Bilder von der Präsentation dieser Kunstwerke im Steinsaal von Houghton Hall, einem der schönsten klassischen Interieurs Englands sind ein Fest für die Augen. Es fällt auf, dass Gamperls Werk zunächst vor allem im Ausland Beachtung fand, in England etwa, in der Schweiz und den USA, ganz besonders aber im fernen Osten. Seine Objekte hielten dem in Ästhetik und handwerklicher Präzision höchst kritischen Blick Koreas und Japans nicht nur Stand, sondern wurden in mehreren Ausstellungen bewundert und gefeiert. Diese und weitere Stationen begleitet ein wahres Kaleidoskop großartiger Skulpturen, abwechslungsreich, fotografisch und drucktechnisch bestens in Szene gesetzt, einzeln, in Gruppen und mit blatt- und doppelblattgroßen Detailaufnahmen, die fast schon einem taktilen Erleben gleichen.

Ein illustrierter Anhang mit biographischen Daten, mit Hinweisen auf Auszeichnungen, auf Sammlungen und Museen, die Werke von Gamperl besitzen und die wichtigsten Ausstellungen beschließen eine Künstlermonographie wie man sie besser nicht machen kann. Man spürt, wie alle, die an diesem Buch mitgewirkt haben, mit Begeisterung dabei waren.
