Autor/en: Martin Brauen (Hrsg)
Verlag: Nachdruck der Universität Zürich
Erschienen: Zürich 2002
Seiten: 208
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: CHF 59.–
Kommentar: Michael Buddeberg, August 2002
Besprechung:
„Sieben Jahre in Tibet“ – jeder an Tibet und dem Schicksal des Landes auf dem Dach der Welt Interessierte kennt dieses Buch von Heinrich Harrer, das heute zu den Klassikern der Tibet-Literatur gezählt werden kann. Von Peter Aufschnaiter jedoch, dem Gefährten von Harrer auf der Flucht von Indien nach Tibet, und seiner nahezu achtjährigen Tätigkeit im Dienste des Dalai Lama, ist nur wenig bekannt. Peter Aufschnaiter war bescheiden und liebte ein Leben in der Abgeschiedenheit und in der Natur. Er hatte Skrupel, sich zu verkaufen, seine Erlebnisse publizistisch auszuwerten oder gar dem Leser etwas vorzugaukeln. „Nicht scheinen, sondern sein“ war der Grundsatz, nach dem Peter Aufschnaiter lebte, und hier liegt auch der Hauptgrund für das späte (1983) Erscheinen des Buches. Immerhin hat Peter Aufschnaiter ein Manuskript seiner Lebenserinnerungen hinterlassen, und es ist Martin Brauen und der Universität Zürich, wo der schriftliche Nachlaß von Aufschnaiter verwahrt wird, zu danken, daß wir über Aufschnaiters Leben in Tibet, seine Leistungen als Techniker und Agrar-Ingenieur und über seine Liebe zu Tibet und zu den Menschen in diesem Lande nachlesen können. Es beginnt mit der Flucht aus dem indischen Internierungslager Dehra Dun am 29. April 1944. 20 Monate später, am 15. Januar 1946, nach unvorstellbaren Strapazen erreichen Harrer und Aufschnaiter die Hauptstadt Tibets, Lhasa, zerlumpt, halbverhungert und am Ende ihrer Kräfte. Nur den umfassenden tibetischen Kenntnissen Aufschnaiters, die er sich während der Gefangenschaft angeeignet hatte, seinem Wissen über Schrift, Sprache, Sitten, Religion und Gebräuche und den von ihm skizzierten Fluchtrouten war es zuzuschreiben, daß das Ziel Lhasa überhaupt erreicht werden konnte. Wer anhand der exakten Wegskizzen den Fluchtweg nachverfolgt, den Weg über den Himalaya, über hohe Pässe, vorbei am Heiligen Berg Kailash, kreuz und quer durch West-Tibet, zurück in ein enges Himalaya-Tal und wieder nach Norden in die unendlichen Weiten des unwirtlichen Changtang, immer in der Angst vor Räubern aber auch vor der Gefahr, von den tibetischen Behörden wieder nach Nepal oder Indien abgeschoben zu werden, begreift, daß hier eines der ganz großen Abenteuer des 20. Jahrhunderts beschrieben wird. In Lhasa waren es dann die technischen und organisatorischen Fähigkeiten Aufschnaiters, die ihm Aufträge der tibetischen Regierung und des Dalai Lama einbrachten und das Thema einer Ausweisung erledigten. Der Bau von Bewässerungskanälen und Dämmen, ein Kraftwerk, Brücken, das Projekt einer ersten Landebahn in Tibet, Versuche mit neuen Agrarpflanzen, sind nur einige der Aufgaben, die Peter Aufschnaiter beschäftigten. Erst der Einmarsch chinesischer Truppen in Tibet und die Besetzung von Lhasa zwangen Peter Aufschnaiter, sein geliebtes Tibet zu verlassen. Er blieb in der Nähe, lebte in Nepal und hat sein Heimweh zu Tibet, das Land, das er eigentlich nie mehr verlassen wollte, niemals verloren. Das Buch ist einzigartig durch die liebevollen Beschreibungen von Flora und Fauna, Sitten und Gebräuchen, Klima und Geschichte, Religion und Politik. Peter Aufschnaiter war wohl der beste westliche Kenner des alten Tibet, den es je gegeben hat. Die Aufzeichnungen von Peter Aufschnaiter sind ergänzt durch Briefe an seine Mutter und an Freunde, an Sven Hedin, Giuseppe Tucci und andere. Zeichnungen aus seiner Hand und zahlreiche Fotos aus den Jahren 1949 bis 1951 sind einzigartige Belegstücke aus einer nicht mehr existierenden Welt. Dem Buch beigegeben ist ein Faksimile-Nachdruck der von Peter Aufschnaiter im Auftrage der tibetischen Regierung erstellten Karte des alten Lhasa, ein wichtiges Dokument und leider ein Beweis für den Umfang der Zerstörung des Zentrums der tibetischen Welt.