Earthly Beauty, Heavenly Art – Art of Islam

Autor/en: Mikhail B. Piotrovsy
Verlag: Lund Humphries Publishers
Erschienen: London 2000
Seiten: 312
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: –.– engl.Pfund,
ISBN: 0-85331-806-9
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Jedermann versteht, was man meint, wenn von islamischer Kunst die Rede ist. In all ihrer Vielfalt und Schönheit weist diese Kunst Charakteristika auf, die einfach und leicht zu erkennen sind. Und doch ist ein Geheimnis um die Kunst des Islam. Trotz vieler Versuche entzieht sie sich als ein künstlerisches Phänomen einer allgemein anerkannten Definition. Der Vergleich oder die Abgrenzung zur christlichen Kunst hilft kaum weiter. Während jene in der Regel einen schmalen Ausschnitt spezifisch sakraler Gegenstände und Themen rund um die Bibel als reiche und dauerhafte Quelle der Inspiration von Künstlern behandelt, umfaßt der Begriff islamische Kunst hingegen alle Arten von Kunst, die von Handwerkern innerhalb der islamischen Welt geschaffen wurde und wird, oft sogar gleichgültig ob es Muslime waren oder Nichtmuslime, die unter muslimischer Herrschaft arbeiteten. Profane Architektur gehört ebenso dazu wie die Metallkunst oder die Keramik, Bereiche, die im Westen oft nur unter Vorbehalt der Kunst zugerechnet werden. Der Koran gibt für eine Begriffsbestimmung islamischer Kunst ebenfalls nichts her, ist doch dort nicht einmal das sogenannte Bilderverbot niedergeschrieben, das in der Diskussion über die Kunst des Islam seit jeher eine so große Rolle spielt. Ist dieses Bilderverbot eine Reaktion auf die reiche religiöse Bilderwelt, der die Muslime im Mittelmeerraum, in Zentralasien, in Indien und im Iran begegneten? Liegen hier die Wurzeln islamischer Kunst? Dies ist jedenfalls der Ansatzpunkt von Piotrovsky, Direktor der Eremitage in St. Petersburg, der den Textteil dieses großartigen Katalogbuches verfaßt hat. Nichts zeigt so klar die einzigartige Natur islamischer Kunst wie der Vergleich mit dem vorislamischen Erbe von Syrien, Ägypten und Iran, bis hin nach Indien oder gar China. Unter dem Einfluß des Islam und seiner ideologischen Grundlagen entwickeln sich in kurzer Zeit aus diesem vorislamischen Erbe die Charakteristika islamischer Kunst: Abstrakte Form, reiche Dekoration und die Tendenz der Vermeidung menschlicher und tierischer Abbilder, kurz die Sprache islamischer Kunst. Diese Sprache ist im vorliegenden Buch mit der Darstellung und Beschreibung von 307 Spitzenobjekten glänzend repräsentiert. Kein Wunder, haben doch die namhaftesten Museen dieser Welt, Museen in London, New York, Washington, Boston, Istanbul, Paris, St.Petersburg und – last not least – die legendäre Nasser. D. Khalili Collection of Islamic Art, Leihgaben zu der Ausstellung in der Nieuwe Kerk in Amsterdam (Dez. 1999 bis April 2000) beigetragen. Die Themen, unter denen sich hier Meisterwerke islamischer Kunst versammeln sind beispielsweise die Moschee oder die Pilgerschaft oder, sehr bedeutsam, das Wort und der Koran, die Kunst auf Papier, Kalligraphie und abstrakte Dekoration als die wohl wichtigsten Kunstformen des mittelalterlichen Islam. Den breitesten Raum aber nehmen die Themenbereiche Palast sowie Gärten und Paradies ein. Der Palast repräsentiert den irdischen Bereich. Er ist Zentrum für architektonisches und künstlerisches Mäzenatentum und Ort höfischer Selbstdarstellung. Teppiche, Kaftane, Miniaturen, Architekturfragmente, Gebrauchsgegenstände aus Holz, Metall, Keramik und Glas sind Objekte einer überreichen Fülle von Form und Ornament. Garten und Paradies, synonyme Begriffe in der arabischen Sprache, leiten dann über in die Sphären himmlischer Gärten. Eine Welt der Pflanzen und Tiere tut sich auf, vor allem aber eine Welt kostbarster Objekte aus Bergkristall und Elfenbein, aus Gold und Silber, aus Edelstein und feinsten Stoffen, sie alle ein Verprechen überirdischer Pracht, wie sie im Paradies zu finden ist, Verheißung künftiger Einheit mit dem Reich Allahs. Die wohl einzigartige Zusammenstellung von Höhepunkten islamischer Kunst aus aller Welt macht dieses Katalogbuch zu einer ganz wichtigen Empfehlung. (- mb -)