Autor/en: Giuseppe Eskenazi, Hajni Elias
Verlag: Scala Publishers
Erschienen: London 2012
Seiten: 360
Ausgabe: Halbleinen
Preis: GBP 60,00
ISBN: 978-1-85759-801-8
Kommentar: Michael Buddeberg, November 2012
Besprechung:
Immobilienmakler, Juweliere, Gebrauchtwagenhändler und Antiquare, ja sogar Finanzberater wissen meist ganz genau, womit sie handeln. Bei einem Kunsthändler ist das nicht ganz so einfach denn trotz ungezählter Versuche ist es noch niemandem gelungen, den Begriff Kunst überzeugend zu definieren. Wenn daher Kunsthändler aus dem Nähkästchen plaudern ist stets Interessantes zu erfahren, über Kunst natürlich, über die sich wandelnde Wertschätzung von Kunst, über die Entdeckung verschollener oder vergessener Kunstwerke, vor allem aber über Menschen, über Museumsleute und Kollegen, über Fälscher und Betrüger, über Investoren und Sammler, kurz über das vielfältige und schillernde Publikum rund um die Kunst. Kein Wunder also, dass die Bekenntnisse und Erinnerungen von Kunsthändlern zu den Evergreens des Buchmarktes gehören. Die Bücher von und über Sir Joseph Duveen, für manche der einflussreichste Kunsthändler aller Zeiten, die Bekenntnisse des römischen Antikenhändlers Augusto Jandolo und die Erinnerungen von Ambroise Vollard, Freund und Verleger von Picasso, Matisse, van Gogh und Cezanne, sind hierfür beste Beispiele. Es ist daher nicht vermessen, dem soeben erschienenen Buch des Londoner Kunsthändlers Giuseppe Eskenazi, einen vergleichbaren Erfolg zu prophezeien, denn all die genannten, spannenden Themen sind Gegenstand seiner Erinnerungen. Giuseppe Eskenazi, Sohn einer kosmopolitisch-sephardischen Kaufmannsfamilie, geboren 1939 als englischer Staatsbürger in Istanbul, aufgewachsen in Mailand, betreibt seit 1960 in London eine Galerie für chinesische Kunst, und es ist keine Übertreibung festzustellen, dass diese Galerie im Herzen von Mayfair von Anfang an die weltweit erste Adresse für diese Sparte des Kunsthandels war und heute noch ist. Das mit ca. 600 Abbildungen illustrierte Buch ist, wie Eskenazi schreibt, nicht nur eine Autobiographie, sondern auch eine illustrierte Geschichte der bedeutendsten und schönsten Exemplare des chinesischen Kunsthandwerks, wie sie in den vergangenen fünfzig Jahren durch seine Hand gingen. Nirgendwo sonst, in keinem Museum, keiner Privatsammlung und in keinem Katalog lässt sich eine solche Fülle chinesischer Kunst allerhöchster Qualität finden wie in diesem Kompendium von Giuseppe Eskenazi. Archaische Bronzegefäße aus den Dynastien der Shang und Zhou, mit Gold und Silber eingelegte Tierskulpturen und Gewandhaken aus dem dritten und zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, Skulpturen aus Stein und Bronze von Wei bis Ming, feinste Arbeiten aus Cloisonné und Jade, frühes Steinzeug und Keramik, hier insbesondere die Pferde und Kamele der Tang-Dynastie und dann vor allem Porzellan aus den Dynastien der Song, Ming und Qin, vieles davon aus kaiserlichen Werkstätten bilden ein atemberaubendes Kaleidoskop chinesischen Kunsthandwerks. Zu bewundern sind hier Unikate, oft mit einzigartigen Glasuren und Dekoren, Pendants zu Stücken aus den Sammlungen des Palastmuseums in Beijing und schließlich eine beeindruckende Anzahl von Eskenazis liebster Ware, den bis zu einem halben Meter Durchmesser großen blau-weißen Schalen der mongolischen Yuan-Dynastie und den dazu gehörigen großen Krügen und Gefäßen. Ist all dies schon Grund genug, das Buch in den höchsten Tönen zu preisen, so ist es darüber hinaus auch ungemein spannend und amüsant zu lesen. Hajni Elias, bei Sotheby´s für chinesische Keramik und Kunsthandwerk zuständig, und Giuseppe Eskenazi selbst erzählen die Geschichte der Galerie, berichten über die erstaunliche Entwicklung des chinesischen Kunstmartktes in diesem halben Jahrhundert, nennen Preise und reihen Anekdote an Anekdote. Es gibt wohl weltweit keinen bedeutenden Sammler und keine wichtige Sammlung chinesischer Kunst, sei es privat oder museal, in den USA, in Europa oder in Asien, der oder die nicht Kunde von Eskenazi ist. Die Familie Rockefeller gehört dazu, Michael Calman aus Paris, Hans und Gretl Popper, Arthur M. Sackler, Gründer der gleichnamigen Galerie in Washington DC, der Schweizer Bankier Pierre Uldry, der deutsche Schokoladenfabrikant Peter Ludwig und das Cleveland Museum of Art und sein Direktor Sherman Lee. Aus langjährigen Geschäftsbeziehungen wurden vielfach Freundschaften und wir lesen über manche Interna, über Eigenschaften und Gewohnheiten großer Sammler, über ihre Vorlieben und ihren Umgang mit Geld. Auch Sammler aus Fernost, der Japaner Eiichi Ataka, die zwei chinesischen Brüder, die die welberühmte Sammlung Meiyintang-Sammlung aufgebaut haben und das private Miho Museum in Japan, sind Kunden von Eskenazi. Das mag zunächst erstaunen, doch ist nicht China, sondern der Westen das reichste Reservoir chinesischer Kunstwerke, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in großen Mengen aus China exportiert wurden und die mit rasant steigenden Preisen wieder auf den Markt drängen. Themen wie die Restitution in kolonialer Zeit „geraubter“ Kunst, die Plünderung des kaiserlichen Sommerpalastes im Jahre 1860, das zunehmende Problem der Fälschungen und die technischen Möglichkeiten diese zu erkennen und nachzuweisen werden ebenso behandelt wie die Rolle der Auktionshäuser im Kunstmarkt und die wirtschaftlichen aber auch kulturellen Gründe, warum eine dreistellige Anzahl chinesischer Millionäre und Milliardäre heute Jahr für Jahr jeweils mindestens eine Million Dollar oder Pfund ausgeben, um chinesische Kunst zurück ins Reich der Mitte zu bringen. Interessant und reizvoll ist natürlich, dass Eskenazi, soweit es ihm die Diskretion erlaubt, Preise nennt und den Leser damit hautnah die rasante Entwicklung dieses Marktsegmentes erleben lässt. Die Würze des Buches aber sind die vielen Geschichten am Rande, etwa die des kaiserlichen Jadebüffels, der 1938 für 300 Pfund erworben und von der Familie vergessen erst 2005 wieder in einem Auktionshaus in der englischen Provinz auftauchte und dort 3,4 Millionen englische Pfund brachte oder die große Yuan-Schale mit Drachendarstellung auf die Eskenazi 34 Jahre warten musste, bis er sie schließlich erwerben konnte, deren Preis aber in dieser Zeit von 45 Tausend auf 1.5 Millionen Dollar gestiegen war. Zwei Anekdoten nur von vielen Dutzend, die dieses Buch zur wohl lesenswertesten Lektüre machen, die in den letzten Jahren zur chinesischen Kunst geschrieben wurde.