Samurai

Autor/en: Isabella Blank, Susanne Völker
Verlag: Thorbecke Verlag
Erschienen: Ostfildern 2008
Seiten: 264
Ausgabe: Hardback
Preis: € 22.90
ISBN: 978-3-7995-0805-6
Kommentar: Michael Buddeberg, April 2008

Besprechung:
Mit dem Film „Die sieben Samurai“ konnte der berühmte japanische Regisseur Kurosawa Akira 1954 einen seiner größten Erfolge verzeichnen und wurde mit zahlreichen internationalen Auszeichnungen, darunter zwei Oskars gewürdigt. Der Film, der die Rettung eines von Banditen geplagten Dorfes durch tapfere und siegreiche Samurai zum Gegenstand hat, wurde in Form seines westlichen Plagiats („Die Glorreichen Sieben“, 1960) nicht nur zum Vater des Italo-Western, sondern auch Vorbild Dutzender japanischer so genannter Schwertfilme. Sie alle handeln von der Kriegerkaste der Samurai im alten Japan und ihrem strengen Kampf- und Ehrenkodex. Das westliche Bild der Samurai ist vorwiegend durch diese kriegerischen Tugenden, vielleicht noch durch die oft bizarr anmutenden Rüstungen und Gesichtsmasken, den Schwertkult und die rituelle Selbsttötung geprägt. Doch wer waren die Samurai wirklich? Wer waren diese Ritter des Ostens, die über viele Jahrhunderte hinweg als eines ihrer charakteristischsten Elemente der Geschichte Japans ihren Stempel aufgedrückt haben? Welchen Ehrenkodices und Wertmaßstäben waren Sie verpflichtet, wie sah ihr Alltag aus, wie ihre Ausrüstung und ihre Waffen, ihre Kleidung, wie ihre gesellschaftlichen Verhältnisse? Was zeichnete sie aus und was blieb von ihnen und der für sie so typischen Kultur? Das Historische Museum der Pfalz in Speyer hat sich die schwierige Aufgabe gestellt, die Lebenswirklichkeit hinter dem Mythos „Samurai“ in einer Ausstellung darzustellen, die Entwicklung und Bedeutung eines Standes zu zeigen, ohne die jedes Japanbild unvollständig ist. Die Ausstellung (bis 5. Oktober 2008) kann trotz der mehr als 250 Objekte aus Museen und Privatsammlungen Europas und Japans die tausendjährige Samurai-Epoche nicht in allen ihren historischen Wandlungen und Aspekten erschöpfend präsentieren. So kann der so wichtige Einfluss des Zen-Buddhismus mit seiner Geisteshaltung der Einfachheit und Konzentration, die zentrale Bedeutung der Teezeremonie für die japanische Kultur, die enge Bindung des japanischen Theaters an den Kriegeradel und dessen bestimmender Einfluss auf Musik, Dichtung und Kunst durch Exponate nur angedeutet werden. Umso mehr aber ist das zur Ausstellung erschienene Katalog-Buch zu empfehlen. Hier wird nicht nur eingehend die wechselhafte Geschichte der Samurai von ihren Anfängen in der Heian-Zeit (794-1185) bis zur Meiji-Restauration (1868-1912) als der Tenno Mutsuhito alle ihre Privilegien einschließlich des Tragens von Schwertern abschaffte, dargestellt, sondern in knapp zwei Dutzend Essays namhafter Wissenschaftler aus dem In- und Ausland ein umfassendes Bild der Samurai und ihrer historischen und kulturellen Bedeutung gezeichnet. Ursprünglich mit Pfeil und Bogen bewaffnete, berittene Krieger im Dienste des Kaisers und des Adels gewannen die Samurai schon bald an Einfluss, etablierten sich als gesellschaftlicher Stand und hatten spätestens im 13. Jahrhundert faktisch die Macht über das Inselreich erlangt und die Funktion des Kaisers über viele Jahrhunderte auf eine traditionell-religiöse Repräsentation reduziert. Als reine Kriegsfürsten ursprünglich vor allem den Idealen Mut, Tapferkeit und Gehorsamkeit verpflichtet, änderte sich ihr Verständnis vor allem in der Zeit des Tokugawa-Shogunats (Edo-Zeit, 1603-1867). Es war eine Zeit des Friedens, in der aus Kämpfern und Kriegern Höflinge, Bürokraten und Verwaltungsbeamte wurden. Doch nicht nur das; die Edo-Zeit war eine Zeit der Blüte, in der Literatur, Kunst, Musik und Theater florierten und die Samurai hatten als erster Stand im Staate und als Mäzene wesentlichen Anteil an dieser Blüte japanischer Kultur. Doch der traditionell aufwendige Lebensstil der Samurai, das gleichzeitige Erstarken von Bürgertum und Händlerschaft und der fehlende Bedarf für das von den Samurai gelernte Kriegshandwerk führten allmählich zu ihrer Verarmung. So war mit der Öffnung Japans für den Westen im Jahre 1868 und dem damit gegebenen Beginn einer beispiellosen Erneuerung und Modernisierung Japans auf allen Ebenen in der Gesellschaft kein Platz mehr für die traditionellen japanischen Ritter. 1871 wurde vom Kaiser das alte Feudalsystem abgeschafft, das Tragen von Tracht und Schwertern verboten und den Samurai mit den Privilegien ihr gesellschaftlicher Status schlechthin entzogen. Aus den Rittern des alten Japan wurden ganz normale Japaner, Bauern, Händler und Beamte. Von der wach gehaltenen Tradition der alten Samurai-Familien zeugen nur noch Reiterfestspiele und der Stolz, mit dem sich mancher hohe Politiker oder Wirtschaftsboss zu seiner ritterlichen Herkunft bekennt. Mit Kapiteln über die Rolle der Frauen des Kriegerstandes, über die populäre Kunst vom ukiyo-e bis zum modernen Manga, über die einzigartige Technologie der Herstellung von Schwertern bis zur Geschichte der Entdeckung und Rezeption japanischer Kultur durch Europa ist das Buch ein Kompendium, das weit über das eigentlich Thema hinaus über Japan, seine Gesellschaft, Kunst und Kultur informiert.