Autor/en: Mayer-Thurman, Vollmer, Pearlstein
Verlag: The Art Institute
Erschienen: Chicago 2000
Seiten: 112
Ausgabe: broschiert
Preis: US-$ 14.95
ISBN: 0-86559-184-9
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2000
Besprechung:
Der schmale Katalog stellt aus der ca. 500 Stücke umfassenden und bisher unpublizierten und weitgehend unbekannten Sammlung chinesischer Textilien des Art Institute von Chicago die 80 besten und schönsten Beispiele vor. Es sind alle Arten von Textilien, vor allem aber prunkvolle kaiserliche, taoistische und buddhistische Roben vom 16. bis zum frühen 20. Jahrhundert. Auf der Welt einzigartig ist ein infolge einer Inschrift auf 1793 datierbares taoistisches Gewand, das über und über mit der erst vor wenigen Jahren entdeckten „needleloop“-Technik verziert ist, einer Sticktechnik, der Goldpapier unterlegt ist. Dieses Gewand repräsentiert gleichzeitig den Zeitraum von der Mitte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, den viele Kenner als die Hochblüte der chinesischen Textilkunst ansehen und aus dem die meisten der vorgestellten Textilien stammen. Rangabzeichen und Tempelbanner, Bett- und Kissenbezüge, ein früher Teppich mit Floralmuster, Altar- und Säulenschmuck mit Drachendekor, mingzeitliche Wandbehänge in feinster Wirk- und Sticktechnik geben einen nahezu vollständigen Überblick über Vielfalt und Qualität chinesischer Textilien. Die Sammlung des Art Institute ist keine gezielt von Textilwissenschaftlern aufgebaute Museumssammlung, sondern sie repräsentiert Geschmack und Sammlerfleiß von Bürgern aus Chicago, die ihre Sammlungen dem Museum übergaben. Hochinteressant ist daher auch ein Essay über die Sammler selbst, über ihre frühen Reisen nach China und über die Akzeptanz chinesischen Kunsthandwerks im Bürgertum der Stadt. Diese Akzeptanz, nicht zuletzt unterstützt durch die Weltausstellungen, war so groß, daß der Marshall Field & Company department store eine eigene Abteilung für chinesisches Kunsthandwerk eingerichtet hatte. Viele bedeutende Textilien der Sammlung stammen aus dieser Quelle. Ein weiterer Essay beleuchtet die Bedeutung der Seidenindustrie in der chinesischen Geschichte und die Rolle luxuriöser Textilien in der Gesellschaft. Seit dem Beginn der chinesischen Zivilisation im 2. Jahrtausend v.Chr. hat der Staat die Seidenindustrie kontrolliert. Kein Wunder daher, daß Seide auf diese Weise geldähnliche Funktionen ausübte, daß Steuern und Löhne in Seide bezahlt wurden und daß die in kaiserlichen Manufakturen hergestellten, kostbaren Roben dazu dienten, des Kaisers moralische Autorität zum Regieren zu demonstrieren. Die in der Sammlung besonders reich vertretenen kaiserlichen Textilien helfen so, die kosmologischen, religiösen und sozialen Grundlagen zu verstehen, aus denen sich das chinesische Universum bis zum Beginn des 2. Jahrhunderts definierte. Sie erklären die Rolle von Textilien in der Aufrechterhaltung politischer Macht und sozialer Stabilität, ihre Sprache von Rang und Prestige im spätimperialen China. (-mb-)