Heaven on Earth – Art from the Islamic Lands

Autor/en: Mikhail Piotrovsky, Michael Rogers, Anatoli Ivanov (Hrsg.)
Verlag: Prestel Verlag
Erschienen: München Berlin London New York 2004
Seiten: 192
Ausgabe: Gebunden mit Schutzumschlag
Preis: EURO 49.95
ISBN: 3-7913-3055-1
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2004

Besprechung:
Als sich der persische Eroberer Nadir Schah aus dem Stamme der Afscharen im Jahre 1739 anschickte das Reich der Mogulkaiser zu erobern hatte er leichtes Spiel. Die Macht der einstmals so mächtigen Herrscher über den Subkontinent war mit dem Tode des Kaisers Aurangzeb gebrochen und in sich anschließenden Auseinandersetzungen mit den Rajputen-Fürsten weiter geschwächt. Geblieben war nur der legendäre, unermeßliche Reichtum der Mogulen, und so wurde die Eroberung Delhis zu der wohl größten Plünderung der Weltgeschichte. Viele Karawanen waren notwendig, um die Schätze aus Gold, Silber und edlen Steinen, kostbare Waffen und Möbel, Textilien und Schmuck in unvorstellbarer Menge abzutransportieren. Der Wert dieses Schatzes wird heute mit mehreren Milliarden Dollar geschätzt. Es erging ihm wie allen anderen Schätzen dieser Welt: Er wurde in alle Winde zerstreut, verkauft, um Kriegskassen zu füllen, eingeschmolzen und umgearbeitet und nur einzelne Stücke in privaten und öffentlichen Sammlungen können sich heute dieser Provenienz rühmen. Mit einer Ausnahme: 1741 erschien eine Gesandtschaft des Nadir Schah am Hofe des jungen Zaren Ivan IV in St. Petersburg und brachte als Staatsgeschenk wertvolle Gaben aus der Mogulbeute: Rosenwassergefäße, Schalen, Teller, Schmuck, alles aus massivem Gold, über und über inkrustiert mit Rubinen, Smaragden und Diamanten. Ein erhaltenes Inventar aus jener Zeit listet diese Gegenstände auf, die heute zu den ganz großen Kostbarkeiten der Eremitage gehören. Allein sechs dieser glanzvollen Objekte sind bis zum 25. August 2004 in einer hochrangigen Ausstellung islamischer Kunst im Somersert House in London zu sehen. Die Herkunft der 133 ausgestellten und im begleitenden Katalogbuch vorzüglich und in Farbe abgebildeten Koranhandschriften, Textilien, Juwelen, Arbeiten aus Stein und Metall, Keramik und Malerei aus zwei weltberühmten Sammlungen, aus dem Petersburger Eremitage Museum und aus der Londoner Nasser D. Khalili Collection, sind eine Gewähr dafür, daß hier das Beste vom Besten zu sehen ist, was islamische Künstler und Kunsthandwerker in mehr als einem Jahrtausend geschaffen haben. Die Präsentation der sorgfältig beschriebenen Objekte wird in dem zur Ausstellung erschienenen Buch ergänzt durch einführende Essays über die Geschichte der islamischen Sammlungen im Eremitage Museum (A.Ivanov), über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten höfischer und religiöser Kunst im Islam (M.Rogers) und durch eine außerordentlich lesenswerte Einführung in die Geschichte der islamischen Kunst aus der Feder des Direktors der Eremitage, Mikhail Pietrovsky. Es ist ein Phänomen, wie das dünn besiedelte, vorwiegend nomadisch geprägte Arabien zum Ausgangspunkt einer Bewegung werden konnte, die binnen kurzer Zeit wie ein Sturm fast die ganze damals bekannte Welt erfaßte. Die Vision von dem einen Gott hatte sich im Westen bald bis nach Spanien und gen Osten über den indischen Subkontinent ausgebreitet und nicht nur eine neue Religion, neue soziale Strukturen und Herrschaftsverhältnisse, sondern eine ganz neue künstlerische Sprache geschaffen, die trotz der lokal unterschiedlichen Reflektion vorislamischer Traditionen überall verstanden wurde. Wie der islamische Glaube wird auch die islamische Kunst vor allem vom Koran geprägt, von der dort gelehrten Dualität von Härte, Grausamkeit und Ernst im irdischen Leben und dem Luxus, der Schönheit und dem Wohlergehen im Jenseits. Die Qualen der Hölle sind im Koran ebenso präsent wie die Mühsal des irdischen Lebens und wie die himmlischen Gärten des Paradieses. Die Prachtentfaltung im Innern der Moschee aber auch die am Hofe des Herrschers orientieren sich an dieser Vorstellung vom Paradies, haben also beide einen religiösen Hintergrund und sind durch die Klammer des Glaubens miteinander verwandt. Piotrovsky versteht es, dem Leser die Entwicklung, Bedeutung und Besonderheit der islamischen Kunst nahe zu bringen, den Luxus, der den Reichtum des Herrschers symbolisiert, ebenso wie die Abstraktion, die die Heiligkeit Allahs repräsentiert und die beide ganz der Schönheit verpflichtet sind, getreu dem muslimischen Credo „Wahrlich, Allah ist schön und liebt alles Schöne“. So fällt es bei all der gezeigten Pracht schwer, besonders schöne oder wichtige Objekte aus dem Buch hervorzuheben, doch mögen einige Schwerpunkte genannt sein: Prachtvolle Koranseiten, ausgewogene Meisterwerke in der ohnehin schon hochdekorativen kufischen Schrift, noch ganz der sasanidischen Tradition verhaftete Silberschalen aus dem Iran des 8. und 9. Jahrhunderts, persische Miniaturen, gemalt für Schah Tamasp in den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts und natürlich die einzigartigen Juwelen aus der Plünderung des Mogulschatzes. Heaven on Earth, der „Himmel auf Erden“ ist ein wunderbares Kompendium islamischer Kunst auf hohem Niveau. (- mb -)