Great Carpets of the World

Autor/en: Susan Day (Hrsg)
Verlag: Thames & Hudson
Erschienen: London 1996
Seiten: 380
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 48.– englische Pfund
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 1997

Besprechung:
Zunächst stellt sich die Frage, ob ein weiteres Prachtwerk über Teppiche angesichts der Fülle von Publikationen zu diesem Thema nötig war. Eine nähere Beschäftigung mit diesem Buch zeigt dann aber überraschende Schwerpunkte, über die sich in der Teppich-Literatur nur wenig findet. Deshalb sollen hier auch nicht die mit musealen Stücke prachtvoll illustrierten Kapitel über den klassischen, türkischen, safawidischen, indischen und chinesischen Teppich behandelt werden, auch nicht der schöne Beitrag über die Kalligraphie in persischen Teppichen, sondern die interessanten Kapitel über den europäischen Teppich, die umfangmäßig etwa ein Drittel des Bandes beanspruchen. Hier dominiert – das Buch ist ursprünglich die Edition eines Pariser Verlages – der französische Teppich. Martine Mathias, Kuratorin am Musée de la Tappisserie, Aubusson, beschreibt die Geschichte des französischen Teppichs von den Anfängen unter Louis XIII und der Gründung der königlichen Manufaktur Savonnerie um das Jahr 1620 bis ins 19. Jahrhundert und bis zu den heute an diesem klassischen Ort noch gefertigten modernen Künstler-Teppichen. Obwohl die Liebe und Wertschätzung der Sonnenkönige zum Orientteppich ausschlaggebend war für die Einrichtung einer eigenen Produktion – der erste Name der Manufaktur bringt das deutlich zum Ausdruck: „Manufacture Royale des Tapisseries de Turquie et du Levant“ – hat sich der französische Teppich sehr rasch vom orientalischen Vorbild entfernt und zu einer eigenen, typisch französischen Musterwelt gefunden. Der französische Teppich ist daher der europäische Teppich schlechthin – ein durch und durch eigenständiges Erzeugnis, passend zu den großen französischen Einrichtungs- und Architekturstilen. Ganz anders die Situation in England, Spanien und Portugal.Iin England begann eine eigene Teppich-Produktion schon im ausgehenden 16. Jahrhundert unter der Regierungszeit von Elisabeth I. Zunächst mehr oder weniger getreue Kopien persischer oder türkischer Teppiche, letztere mit Lotto-, Holbein- und Ushak-Motiven, wurden die Produktionen zunehmend englischer, lösten sich aber nie vollkommen vom orientalischen Vorbild. Auch die „Arts und Crafts“-Teppiche von William Morris im späten 19.Jahrhundert wären ohne die persischen Vorbilder, etwa solche aus Isfahan, kaum denkbar. Die ältesten europäischen Teppiche aber wurden in Spanien bereits im 11. Jahrhundert geknüpft. Sie blieben bis zum Ende der islamischen Herrschaft durch und durch orientalisch und sind doch auch unverkennbar spanisch. Höchst eindrucksvoll etwa die spanische Version des großen Holbein-Musters mit großen Oktogonen und zentralem Flechtbandstern. Der Wert dieses schön gedruckten Buches liegt vor allem in diesen reich illustrierten Beiträgen zum europäischen Teppich. Über Mängel bei der Herstellung -vertauschte Bildunterschriften – und inhaltliche Mängel – so werden kaukasische und turkmenische Teppiche in einem Kapitel „Other Carpets“ nur eher beiläufig erwähnt – muß man hinwegsehen.