Hidden Threads of Peru – Q´ero Textiles

Autor/en: Ann Pollard Rowe, John Cohen
Verlag: Merrell Publishers Ltd. und Textile Museum
Erschienen: London und Washington 2002
Seiten: 160
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: £ 29.95
ISBN: 1-85894-148-2
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 2002

Besprechung:
Es gibt sie noch: Kulturen fernab unserer Wegwerfgesellschaft, Kulturen, in denen nicht die Diktate von Konsum und Verbrauch zählen, nicht das Streben nach möglichst billig und möglichst schnell, Kulturen, in denen Menschen nach überlieferten Traditionen ihre Gebrauchsgegenstände aus­schließlich für ihren eigenen Gebrauch herstellen, mit viel Zeit, Mühe, Geduld und – vor allem -Liebe. Die Q´eros haben eine solche Kultur. Dieser kleine Stamm lebt in einem entlegenen Teil der Anden, im südlichen Peru, 160 km östlich der alten Silberstadt Cuzco, und ihr Stammesgebiet kann nur zu Fuß oder auf dem Pferderücken erreicht werden – beschwerlich ist beides. Die Q´eros sind Nachfahren der Inkas, sprechen noch deren alte Sprache, weben Textilien von beeindruckender Schönheit und das nur für sich selbst. Wenn man eine Q´ero-Frau fragt, ob sie ihren Schal oder Poncho verkauft, bekommt man als Antwort ein klares „nein“, sie verkaufe ja auch nicht ihren Arm oder ihre Hand und überhaupt mache sie den Schal für ihre Tochter. Es war eigentlich ein Zufall, der John Cohen, Fotograf, Filmemacher und Musiker vor fast einem halben Jahrhundert zu den Q´eros verschlagen hat, aber es war kein Zufall, daß er dann noch acht mal dort war, Filme und Tonauf­nahmen machte und Textilien mit nach Hause brachte, die heute im Textile Museum in Washington verwahrt werden. Diese Textilien und der Bestand des New Yorker Museum for Natural History sind der Fundus einer Ausstellung des Textile Museum in Washington und Gegenstand des zu diesem Anlaß herausgegebenen Buches. Es beschreibt das geographische, klimatische und historische Umfeld der Q´eros und es beschreibt und zeigt (130 Farb-Abbildungen) die reiche textile Tradition dieses Volkes. Die Q’eros sind in erster Linie Viehzüchter, die in den zwischen 3.800 bis 4.600 Metern gelegenen Weideregionen Alpacas und Lamas züchten und von deren Produkten leben. Abgesehen von dem Kartoffel- und Maisanbau in tieferen Lagen des Q´ero-Gebietes sind die Parallelen zu den Hirtennomaden Zentralasiens und ihrer textilen Kultur verblüffend. Komplizierte kettgemusterte Gewebe oder aufwendig geflochtene Hirtenschleudern unterscheiden sich kaum von entsprechenden Textilien in Tibet. Die bis heute unbeantwortete Frage nach einer alten Verbindung zwischen Asien und Amerika wird mit der Vorstellung der Q´ero-Textilien wieder einmal aktuell, und vielleicht können Technik und Dekor dieser Textilien helfen, einer Antwort näher zu kommen. Textilien aus der handgesponnenen Wolle von Alpacas und Lamas waren und sind der wichtigste Gegenstand kunsthandwerklichen und künstlerischen Ausdrucks dieser archaischen Kultur. Sie sind prägender Bestandteil des täglichen Lebens, der Rituale und der Feste der Q´eros. Streifengemu­sterte Frauenschals, Ponchos und Umhänge für Männer, Gürtel und Mützen, Taschen für Coca und festliche Schärpen formen ein reiches textiles Erbe und zeigen trotz der Vielfalt von Techniken und Mustern einen einheitlichen, kraftvollen und unverwechselbaren Stil. Fotos der bis heute ver­wendeten, einfachen Horizontal-Webstühle, Diagramme der komplizierten Strukturen der kett­gemusterten Gewebe, und schließlich Aufnahmen der Menschen, von den Landschaften, die sie umgeben, Aufnahmen ihrer Häuser, Tiere und Gerätschaften, Aufnahmen von den Festen und Ritualen, die den Jahreslauf bestimmen, entstanden in einem Zeitraum von 50 Jahren, vermitteln ein faszinierendes Bild einer unbekannten Kultur. Hidden Threads of Peru ist ein wichtiger Beitrag zur Ethnologie und Textilgeschichte Südamerikas.